Erwartungsvoll habe ich soeben die Rezension des Vorsitzenden der Goethe-Gesellschaft Weimar, Jochen Golz, zur Goethe-Biografie von R.Safranski gelesen, die im Goethe Jahrbuch 2013, S.239-241 erschienen ist. Er beendet sie mit dem Satz: Seine kritische Lektüre kann guten Gewissens empfohlen werden.
Wie meint er das denn? Empfiehlt er uns die Lektüre, weil diese kritisch mit dem Thema Goethe umgeht oder empfiehlt er uns, kritisch mit der Lektüre umzugehen? Kurz vorher erklärt Herr Golz: Safranskis Buch ist ausgewogen in seinen Proportionen, gewinnend in seiner Diktion. Wohin soll sich der kritische Blick wenden?
Dieser merkwürdige Schluss irritiert. Denn der Goethe-Kenner J.Golz kann seinen Unmut über die entdeckten Irrtümer und Fehlleistungen nicht verbergen. Ihm fällt nicht nur auf, dass R.Safranski seiner Intention, Goethes Leben aus den Quellen – aus diesen allein, wie er im Vorwort versichert – darzustellen, untreu wird, er muss den Wortbrüchigen sogar mahnen, Standards der Goethe-Interpretation, wie sie aus dem Studium der im Literaturverzeichnis gemachten Werke zu gewinnen sind, nicht zu unterschreiten.
Im Umgang Safransiks mit Goethes Lyrik meint Herr Golz, dass es zumeist bei pauschalen Hinweisen bleibt, die manchmal geradezu verkümmern und im Prinzip auf diesem (Pardon) banalen Niveau verharren.
Er findet, dass Goethes politisches Wirken nicht genügend zur Geltung kommt, weist auf übernommene Vorurteile etwa in Bezug auf Goethes Beziehung zu Beethoven oder Ulrike von Levetzow hin und vermisst überhaupt den Nachweis eines Goethes Aktivitäten zugrundeliegenden, letztlich aufklärerischen Konzepts, das […] in seinen Grundzügen bis an sein Lebensende konstant blieb.
Jochen Golz gibt freundlich Hinweise, welche Quellen hilfreich gewesen wären, doch seien das nur Wünsche, die den Ertrag des opulenten Werkes aber nicht schmälern sollen.
Hm. Dann werde ich diese Rezension wohlwollend Goethisch bewerten: zu soviel Toleranz kann nur eine jahrelange Beschäftigung und Identifikation mit Goethe führen, denn dieser war gegen Kritiken weitgehend immun:
Da die dummen Eingeengten / Immerfort am stärksten pochten / Und die Halben, die Beschränkten / Gar zu gern uns unterjochten, / Hab ich mich für frei erkläret / Von den Narren, von den Weisen, / Diese bleiben ungestöret, / Jene möchten sich zerreißen. (BA 3,59)