28. August

für Johann Wolfgang von Goethe

Kritisiert, belächelt – gestern wie heute,
ein jeder sein Los beneidenswert fand,
denn es sind noch immer dieselben Leute,
die nie die kindliche Reinheit erkannt.
Für diese wird niemals der Nebel vergehn,
sie bleiben auch jetzt in der Dämmerung stehn.

Ihn hatte die Muse einst freundlich gegrüßt,
von ihrer Hand erhielt er den Schleier,
durch diesen erst hat sich sein Leben versüßt,
das ihm vergällt war mit alter Leier.
Denn niemanden gab es, der teilt‘ seine Pein,
allein, ohne Ziel, ohne Liebe zu sein.

Wer nicht versucht hat, sich selbst zu verstehen,
wird nicht des Herzens Reichtum erblicken,
der wird nie begreifen, was Blinde sehen,
und nie wird ein Tag ihn so erquicken,
dass er, getragen von kosmischen Schwingen,
in sich den Wunsch fühlt, darüber zu singen.

Kunstvoll geknüpft mit den Fäden der Liebe
ist Freundschaft dir stets ein heiliges Band,
du hältst nichts vom Lorbeer, der nur dir bliebe
und teilst deinen Ruhm mit gebender Hand
gern mit den Würdigen, die dich begleiten,
bereit sind, mit dir durch Welten zu schreiten.

Gemeinsam im Lichtschein der Hexe zu gehn,
kein Leid, keine Sorge hält ihn zurück,
wo die Lüfte der Weisheit und Liebe wehn,
findet er Reichtum, Verständnis und Glück.
Teufeln zu trotzen, was kann wichtiger sein,
wer Liebe empfinden kann, bleibt nie allein.

— Anna J. Rahn, 2016 —