Bernd Dietzel erzählt in seinem überaus lebendigen Buch das Leben von Goethes aufopferungsvollem Wegbegleiter auf anschauliche Weise neu, verspricht der Klappentext, eines sehr ansprechend gestalteten 96-seitigen Buches mit farbigen Abbildungen.
Wie ein früher Vorfahr Kafkas suchte Eckermann seinem Übervater etwas zu beweisen, was der immer aufs Neue nur lässig einkassierte. Eckermann reiht sich damit ein in die Tradition jener tragischen Charaktere, an deren Beginn Telemachos, der Sohn des Odysseus, und an deren bisherigem Ende symbolhaft Franz Kafka steht: Menschen, die nicht wirklich dazugehören, weil die Gesellschaft sie und ihresgleichen nicht für wert hält, und die sich selbst ausschließen, weil ihre geheimen Sehnsüchte unerfüllt bleiben müssen, beurteilt der Autor am Ende seines Buches des Eckermanns Leben für Goethe. Diese weit gespannte Traditionsreihe ist – neu.
B.Dietzel erzählt die Lebensgeschichte des Johann Peter Eckermann anschaulich und auch lebendig, jedem Kapitel ist ein passendes Zitat vorangestellt.
Nur neu ist sie nicht, denn der Autor kommentiert sie wie alle Biografen vor ihm nach dem bekannten Muster: der arme Eckermann, der vom padrone Goethe für seine Interessen souverän benutzte Diener, der kompetente Domestik in einem Haus, in dem Goethe saß wie in Baumwolle eingesponnen und seine Bedeutung pflegte. Noch ein Satz zur üblichen Sicht auf Goethe als dem egoistischen Vater: Er hat Eckermann ausgenutzt, ihn gebildet und so für sich brauchbar gemacht, er hat ihn, dass er in Weimar bliebe, erpresst, konsequent zu seinen Zwecken benutzt, und er hat Eckermann damit glücklich gemacht. Dieser merkwürdige Widerspruch wird zu einer Tatsache, die nicht weiter befragt wird und die ein bizarres Licht auf ein vermeintlich skurriles Verhältnis zwischen einem unehrenhaften Herrn und seinem verschrobenen Diener wirft.
Es ist schade, dass auch diesmal keine neue, d.h. unbefangene Betrachtung dieses eigenartigen, ehrgeizigen jungen Mannes, erfolgt. Denn bei etwas genauerer Betrachtung der Verhältnisse und Umstände könnte sich auch ein anderes Bild herstellen, das sich bei kritischer Offenheit für die Brüche und Unstimmigkeiten im Leben des Herrn Eckermann bereits ankündigt. Freilich müsste auch die zeitgeschichtlich begründete Anti-Haltung gegen Goethe geprüft werden. Das wär doch noch mal eine Aufgabe….
(Edition ABFischer, 1.Aufl., 2014)